Neukomposition zum Stummfilm "Die Leuchte Asiens" von Franz Osten für Ensemble
von Pierre Oser
Leihmaterial
Besetzung: 1.1.1.1. – 0.0.1.0. – Streichquintett
Dauer: ca. 95 min
Filmrechte: British Film Institute
Das Leben des Gautama Buddha, wie es ein alter buddhistischer Mönch englischen Touristen erzählt: Im 6. Jahrhundert vor Christus wird Gautama als Königssohn geboren. Aus Furcht vor der Prophezeiung, er werde allem Weltlichen entsagen, umgibt sein Vater ihn mit Reichtum und schönen Frauen. Doch nur der Königstochter Gopa schenkt Gautama seine Gunst. Im Wettstreit mit seinem Cousin Devadatta gewinnt er sie zur Frau, und fortan lebt das Paar zurückgezogen auf einer paradiesischen Insel. Als aber Gautama auf einer Ausfahrt mit Alter, Krankheit und Tod konfrontiert wird, sieht er sich vor die Entscheidung gestellt zwischen Reichtum und innerer Größe … Indien, an der Schwelle zur Moderne, versichert sich seiner spirituellen Wurzeln und zieht dabei einen Regisseur aus Deutschland hinzu: Der prachtvolle Monumentalfilm, eine Kombination aus orientalischem Märchen und religiösem Passionsspiel, steht am Anfang des Hindi-Kinos, aus dem später „Bollywood“ werden sollte.
Aus dem Werk des deutschen Regisseurs Franz Osten atmet Pioniergeist der ersten Stunde, galt doch sein Unternehmen, ausschließlich mit indischen Schauspielern an Originalschauplätzen in Bombay zu drehen, in den 20er-Jahren durchaus als Wagnis. Das Staunen des damaligen Publikums angesichts der exotischen Aufnahmen überträgt sich noch heute: „Every winter large numbers of European tourists are attracted to romantic India – the land of many wonders and many contrasts“, leitet der Zwischentext ein. Genau jene Perspektive möchte Komponist Pierre Oser nun auch musikalisch „hörbar“ machen, und zwar durch bewusste Verwendung „europäischer Klänge, Instrumente und Klangbegriffe“. Ihm geht es darum, „dieser exotischen Welt mit unseren Mitteln, aus unserer Sicht nachzuspüren“, ohne folkloristisch zu verfremden. Tatsächlich treten die Bilder des Films wie vor einem kontrastreichen Hintergrund konturenscharf hervor, werden atmosphärisch umrahmt, ohne in ihrem fremdartigen Reiz überdeckt zu werden. Dennoch (oder eben deshalb?) finden Musik und Film eine eigentümliche Verständigung, die wohl auch dadurch gelingt, dass auch die Musik von „epischer“ Weite ist – transparent tonal, impressionistisch offen und motivisch fein nuanciert. Der Klangstrom legt sich geradezu wie ein Fluidum zwischen die grobkörnigen Bilder und „Textseiten“ des Stummfilms, lässt sich biegsam vom Geschehen formen. So begleitet die Musik die lebendigen Basarszenen mit rhythmisch-komödiantischen Elementen, erhält zu den prächtigen Palastaufnahmen ein monumentales Gepräge und zeigt sich schließlich bei der Erleuchtung Buddhas, an einen Choral erinnernd, selbst in gereinigter Form. Dieser „musikalisch“ restaurierte Stummfilm bringt gewiss mehr zur Sprache als viele seiner „redegewandten Brüder“ – im besten Sinne völkerverständigend.
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